Tilly Keiser

Biografie Tilly Keiser

1921 wird Tilly (Ottilia Notta) Keiser in Liestal als Tochter von Lina Keiser-Schleicher und Malermeister Arthur Keiser geboren. Angeregt durch ihren Vater malt sie schon als junges Mädchen.

1935 Als 14-jährige reicht Tilly unter dem Namen ihres gelegentlich auch künstlerisch malenden Vaters ein Bild in die Weihnachtsaustellung ein (Werkverzeichnis Nr. 1, heute in der Basellandschaftlichen Kunstsammlung). Ab ihrem 16. Altersjahr hat Tilly Keiser für das Liestaler Kino «Uhu» regelmässig grossformatige Plakate gemalt.

1937 lassen erfolgreiche Studienjahre an der Basler Kunstgewerbeschule, unter anderem bei Arnold Fiechter und Walter Bodmer auf eine vielversprechende Zukunft hoffen.

1940 stirbt der verehrte Vater – Tilly verliert den Boden unter ihren Füssen. Die Mutter wirft nach dem Tod ihres Gatten sämtliche Malutensilien der Tochter weg und verfügt − damit diese etwas Rechtes lerne – eine Sekräterinnenausbildung.

1945 flüchtet Tilly in eine Ehe mit Raymond Chobaz (senior). Ihr 1947 geborener Sohn Raymond Chobaz (junior) bezeichnet sie als «trotzige Träumerin». Nach ihrer Heirat nimmt Tilly Chobaz-Keiser nur noch wenige Male an Weihnachtsausstellungen teil, sie scheut Gesellschaft und Öffentlichkeit. Vereinzelt führt sie Aufträge aus, so etwa ein Plakat zum 75. Jubiläum der Patria-Versicherung, wo ihr Gatte während achtunddreissig Jahren angestellt war. Die Ehe ist unglücklich. Eines nachts, so erinnert sich ihr Sohn, verreisst seine Mutter aus Wut gegen ihren damals noch kunstunverständigen Mann ganze Stösse von Studien und Zeichnungen. Ihre Bilder signiert sie zeitlebens mit «Tilly» oder «Tilly Keiser».

1961 lernt sie Max Kämpf näher kennen, der seit 1959 in seinem Wohnatelier im Hinterhaus der Pfeffingerstrasse 65 haust. Sie sind sich schon während der Zeit in der Kunstgewerbeschule begegnet, ohne allerdings miteinander in Kontakt zu treten. Ihr Mann, ein lebensfröhlicher Bonvivant versteht sich gut mit «Megge», der oft am Mittagstisch bei der Familie Chobaz sitzt. Seine Anwesenheit heitert Tillys Gemüt stets auf: «Über der Mutter war oft eine Wolke, die aber immer verflog, wenn Megge da war», erinnert sich Raymond Chobaz.

1967 reist sie mit ihrem Sohn – zwischen Matur und Rekrutenschule – während zwei Wochen durch Marokko. Die Eindrücke verarbeitet während der folgenden Jahre zu einer Folge malerischer Höhepunkte. Nach Abschluss seines Musikstudiums am Konservatorium Basel studiert der junge Raymond 1972 in Amerika weiter. In Florida gründet und dirigiert er das Gainesville Symphony Orchestra, wirkt als ordentlicher Professor und dirigiert das University of Florida Symphony und Opera Orchestra, sowie das Dance Alive National Ballet von Florida und das Symphony Youth Orchestra in Orlando. Tilly porträtiert ihn mehrmals als jungen Dirigenten.

1973, 1975 und 1980 chauffiert Raymond Chobaz seine Mutter und Max Kämpf monatelang in einem Pontiac Catalina durch Amerika. Beim letzten Mal war Kämpf schon schwer krank. Ohne Tilly hätte er nach seiner eigenen Aussage die 1979 erfolgten Krebsoperation nicht überlebt. Tilly pflegt den bettlägerigen Freund über drei Jahre, dieser stirbt in ihren Armen. Sein Tod (1982) macht ihr schwer zu schaffen, dennoch blüht ihre Malerei auf, wird bewegter und farbiger. Die Galerie Melina stellt 1990/91 in Möhlin Bilder beider zusammen aus. Tilly setzt ihre Preise so hoch an, dass sie nichts verkauft: Sie wollte nichts verkaufen.

2001 stirbt Tilly. Esther und Werner Leupin zeigen 2004 in ihrer Liestaler «Kulturscheune» ihre Werke. Die Retrospektive ist ihre erste und bis 2023 einzige Einzelausstellung.

Tilly Keiser zeigt sich ein für das 20. Jh. typisches Frauenschicksal. Sie bleibt im Hintergrund und entwickelt nicht das nötige Selbstbewusstsein oder die Ambition, sich als ernstzunehmende Künstlerin in der Öffentlichkeit zu zeigen. Über die exemplarischen Lebensumstände hinaus ist es jedoch primär die Qualität von Tilly Keisers Schaffens, welche eine umfangreiche Auseinandersetzung mit ihrem Leben und Werk rechtfertigt. Tilly Keisers Bilder offenbaren eine existentielle Dringlichkeit, ihre ebenso sichere wie freie Malerei ist geprägt von einem vibrierenden Temperament. Die Malerei ermöglichte ihr seelisches Überleben: Darum konnte sie sich kaum von ihren Bildern trennen.